Richtiges Vortraining

Tierarzt Burkard Sudhoff |
Heute ist es kein Geheimnis mehr, daß ohne sinnvolles Training kein
überragender Erfolg auf der Reise zu erzielen ist. Studiert man die
Schlagberichte der Deutschen Meister so stellt man fest, daß das
Training der Tauben vor Beginn der Reise ein absolutes muß zu sein
scheint. Bei den Jungtauben wird das konsequente Training bereits seit
etwa zwanzig Jahren praktiziert.
Die sogenannte "Dr. Lindemann Methode" wurde schon vor vielen Jahren
publiziert und beschreibt detailliert die Trainingsmethode. Ich möchte
heute aber auf das Training der Alttauben eingehen, welches sich doch
erheblich vom Jungtaubentraining unterscheidet.
Wollen Sie Ihre Witwer ab etwa Mitte März und dann für vier bis sechs
Wochen richtig auf die Wettflugsaison vorbereiten sollten Sie mit dem
Training zwei Ziele verfolgen. Erstes Ziel ist es den Heimkehrwillen der
Tauben zu entfachen, beziehungsweise zu forcieren. Zweites Ziel ist es
die Kondition und körperliche Leistungsfähigkeit der Witwer zu steigern.
Diese beiden Ziele müssen nebeneinander betrachtet werden und auch das
Training muß zielgerichtet auf diese Bedürfnisse ausgerichtet werden.
Das Training zur Steigerung des Heimkehrwillen bezeichne ich als
mentales Training. Mentales Training findet beim Leistungssportler in
aller Regel durch Gespräche statt, dabei wird der Athlet auf seine
bevorstehende Aufgabe eingeschworen und positiv unterstützt. Bei der
Taube besteht das mentale Training darin, positive Erfahrungen zu
sammeln und den Willen zum Sieg stärken.
Um dieses Ziel zu erreichen ist es notwendig das die Taube top
motiviert ist. Sie muß also verpaart sein und am besten zu Nest treiben
oder auf frischen Eiern sitzen. Zu diesem Zeitpunkt ist der Witwer hoch
motiviert und möchte seine Zelle nicht aus den Augen verlieren. Kurze
Distanzflüge bis maximal 20 Kilometer sind geeignet um dieses Ziel zu
erreichen. Die Trainingseinheiten werden täglich wiederholt. Die Taube
soll lernen schnell und sicher den Schlag zu erreichen ohne einer
sonderlichen körperlichen Belastung ausgesetzt zu sein. Nur wenn die
Witwer gelernt haben ohne Umwege aus dem Korb Strich nach Hause zu
fliegen und bei der Ankunft übereinander in den Schlag einspringen, ist
das Ziel des mentalen Training erreicht. Eine besondere Herausforderung
stellt es dar von kurzen Entfernungen unter 5 Km Strich nach Hause zu
jagen. Diese Trainingseinheiten werden dann von Zeit zu Zeit wiederholt.
Ganz wichtig ist, daß immer ein Anreiz geschaffen ist, ohne diese
positive Erfahrung geht der Effekt verloren. Gift für das mentale
Training ist es die Tauben ohne Motivation aus dem Schlag zu gegriffen
um Sie dann zu fahren. Auch eine Belohnung (Nüsse, Sämereien oder Täubin)
nach der Heimkehr welche die Taube vor dem Einkorben nicht genau kennt
und von daher auch nicht erwartet, ist keine Motivation. Mentales
Training heißt also den Siegeswillen durch viele kleine sich stets
wiederholende nicht kraftraubende Trainingseinheiten zu schulen. Die
Trainingseinheiten dürfen nie so schwer sein als das die Tauben diese
nicht mit spielerischer Leichtigkeit absolvieren können. Sind die Tauben
mental gut trainiert dann werden die Trainingsdistanzen kürzer. Die
Kunst dabei ist es die Taube dahin zu führen, daß sie zum Wochenende aus
kürzester Distanz, also etwa 3 - 5 Kilometer, ohne Umwege in wenigen
Minuten direkt nach Hause fliegt. Tauben die dieses Spiel beherrschen
haben absoluten Siegeswillen.
Neben diesem mentalen Training benötigen die Tauben das
Grundlagenausdauertraining. Besteht das mentale Training mehr aus dem
Training des 'Kopfes' so müssen beim Ausdauertraining die Muskulatur,
die Sehnen, die Bänder und die Gelenke trainiert werden. Daneben wird
der Herzkreislaufapparat und der Stoffwechsel auf die zukünftigen
Aufgaben hin vorbereitet. Vor allem die Tauben, welche in den Herbst-
und Wintermonaten keinen Freiflug hatten, bedürfen eines intensiven
Ausdauertraining. Beim Ausdauertraining sind die Anforderungen an das
Trainingsprogramm gänzlich anders als beim mentalen Training. Ziel des
Training ist es Kondition und Leistungsvermögen aufzubauen. Beim
Grundlagenausdauertraining spielt die Ernährung und auch die Versorgung
mit Ergänzungsfuttermitteln eine wichtige Rolle. Eine gute ausgewogene
Witwermischung sollte gefüttert werden damit die Taube genügend Energie
erhält und nicht von den Reserven zehren muß. Tauben die stark verfettet
sind verbrennen durch langes fliegen von selbst das Fett und sollten zum
Zeitpunkt des Training nicht auch noch mit Reduktionskost (Winterfutter
oder Säuberungsmischung) gefüttert werden. Als Ergänzungsfuttermittel
setze ich zu diesem Zeitpunkt verstärkt hochkonzentrierte
Kräutermischungen sowie Tonikum ein um die physiologischen
Stoffwechselvorgänge in den Atemwegen und dem Darm zu unterstützen.
Viele Tauben müssen im Frühjahr aus dem Winterschlaf geweckt werden und
für diese ist das Training hart und erbarmungslos. Um einen gewünschten
Trainingseffekt beim Grundlagenausdauertraining zu erzielen müssen die
Tauben aber schon auf Entfernungen von mindestens 70 Kilometern, besser
sogar 100 Kilometer gefahren werden. Auch diese Distanzen müssen
mehrmals geflogen werden um einen spührbaren Effekt zu erzielen. Da die
Tauben für dieses Training nicht unbedingt angepaart sein müssen, kann
man die schönen Tage für dieses Training herauspicken. Natürlich müssen
die Tiere auch an diese Distanzen herangeführt werden, indem man zwei
bis drei mal auf 30-50 Kilometer fährt. Tauben die zweimal wöchentlich
auf bis zu 100 Kilometer gefahren werden haben zu Saisonbeginn einen
signifikanten Konditions-vorsprung. Mit Hilfe von Blutuntersuchungen
können wir in der Praxis den Trainingszustand ermitteln und das
Trainingsprogramm optimieren. Wichtig erscheint mir in diesem
Zusammenhang der Hinweis, daß die Tauben nach jedem langen Training
einen Tag am Haus fliegen sollen um die Muskulatur wieder zu lockern.
Dabei werden auch die Stoffwechselendprodukte ausgeschieden und der
gefürchteten Überlastung der Flügelsehnen entgegengewirkt. Besonders die
Tauben die den ganzen Winter fest gesessen haben müssen behutsam
antrainiert werden.
Das Training muß individuell auf jedem Schlag geplant und den
spezifischen Gegebenheiten angepasst werden.
Ziel dieses Berichtes soll es sein mehr über das Training
nachzudenken. Vor jedem Training muß die Frage geklärt werden was der
Taube mit dem Trainingsflug beigebracht werden soll und ob dieser Flug
von der Entfernung und vom mentalen Zustand der Taube her geeignet ist
dieses Ziel zu erreichen. Ist man im Zweifel sollten die Tauben besser
ums Haus fliegen. Falsches Training kann die Arbeit von Tagen und Wochen
zu Nichte machen. Fast überflüssig erscheint mir an dieser Stelle der
Hinweis, daß ein solches Trainingsprogramm natürlich nur mit gesunden
Tauben durchgeführt werden kann. Gesund heißt in diesem Fall nicht, daß
alle erdenklichen Kuren durchgeführt wurden, sondern, daß alle
bestehenden Infektionen seriös tierärztlich diagnostiziert und
therapiert wurden.
Burkard Sudhoff, prakt. Tierarzt
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