Abwehr und Jungtauben
Tierarzt Peter Boskamp über die medizinische Vorsorge (Newsletter August 2012)

Tierarzt
Peter Boskamp |
Die letzten Monate habe ich ein paar Viren unter die Lupe genommen, die die
Gesundheit unserer Tauben bedrohen. Auch jetzt haben wir wieder, sicher bei den
Jungtauben, es oft zu tun mit viralen Infektionen. Für die Züchter ist die
Diagnose ‘Viruserkrankung’ etwas, was sie nicht hören wollen. Für den Taubenarzt
ist es oft eine Garantie dafür, dass im Verein über ihm hergezogen wird wovon er
nichts weis. Er kann dann ja nur die hinzukommenden Infektionen bekämpfen.
Der Rest muss die Natur größtenteils selber machen, mit oder ohne Unterstützung
von ergänzenden Maßnahmen.
Aber wie alle wissen, ist das ‘keine Option’ während der Flugsaison. Meistens ist
es das Startsignal für das ausprobieren von allerhand Medikamente. So hatte ich
letztens noch einen Züchter am Telefon der schon sechst Kuren gemacht hatte bei
seinen Jungtauben, aber es funktionierte immer noch nicht. Jetzt hatte er gehört,
dass ich bestimmt ein Mittel habe, was helfen würde. Das musste er also
haben. Der Züchter schien auch noch säuerlich, als ich ihm in alle Ehrlichkeit
anbot, seine Tauben zu untersuchen um so den wirklichen Grund herauszufinden. Die
Anfahrt war ihm zu weit und er würde es sich noch überlegen...
Zum Glück denkt nicht jeder so. Aber es war für mich schon einen Grund noch
mal
zu erklären, wie das ist mit dem Nutzen von Antibiotika bei viralen Infektionen.
Abwehrstoffe und Abwehrzellen
Stark vereinfacht besteht eine Abwehrreaktion unter anderem aus der Produktion
von Abwehrstoffen. Das braucht eine gewisse Zeit, weil diese zuerst gebildet
werden müssen durch spezielle Zellen. Daneben gibt es Abwehrzellen, die versuchen
die Angreifer unschädlich zu machen durch sozusagen auffressen. Wenn ein
Tier sich entwickelt, nimmt mit dem älterwerden, gleichzeitig die Qualität des Abwehrmechanismus zu. Teils kommt das auch durch die ‘Erfahrung’ die ein Abwehrmechanismus
im Laufe der Zeit aufbaut. Wenn eine Taube schon mehrmals mit einen bestimmten
Angreifer in Kontakt gekommen ist, kommen ruhende Gehirnzellen in Aktion, die
dafür sorgen können, dass kurzfristig eine Antwort gegeben werden kann über die
Angreifer. In vielen Fällen verläuft die Infektion dadurch fast ohne Symptome.
Wie schon erwähnt, ist es notwendig dass ein Abwehrorgan ‘Erfahrung’ aufbaut. Es
ist also nicht richtig (passend oder unpassend), den Jungtauben Antibiotika zu
verabreichen wegen jeder Kleinigkeit. Wir bremsen so den Aufbau eines gesundes
Abwehrorgans.
Wenn wir uns hier beschränken auf die Folgen einer Virusinfektion, sehen wir
Krankheitserscheinungen die abhängig sind vom Zielorgan oder die Zielorgane des
betreffenden Virus. Bei Paramyxovirose sind dies das Gehirn und die Nieren,
bei Adenovirose sind es mehr der Darm und die Leber. Die Krankheitserscheinungen
werden meistens mit Beschwerden dieser Organe zusammenhängen. Es gibt auch ein
Virus das genau das Abwehrorgan als Zielorgan hat. Dieser Circovirus ist uns
etwa seit dem Jahr 2000 eine Last im Taubensport. Vor allem Jungtauben, bei
denen das
Abwehrorgan noch ausreifen muss, können hierdurch erheblich abgebremst werden in
ihrer Entwicklung und Gesundheit.
Wenn die Infektion ganz früh im Leben auftritt, sind diese Tauben so gut wie
ungeschützt gegen für diese Angreifer. Sind die
Jungtauben jedoch schon einigermaßen ausgewachsen, dann muss alles nicht so
schlimm sein. Wenn die Jungtauben aber schon infiziert sind mit dem Circovirus,
dann wird das Abwehrorgan auch nicht gut reagieren auf Impfungen. Man glaubt, die
Tiere gut geschützt zu haben mit den Impfungen, aber dies erweist sich dann als
falsch. Die Folgen letzteres sehen wir dann auch jedes Jahr mehr. So
gibt es Unmengen von Jungtauben die nur einmal (Pflicht) geimpft wurden gegen Paramyxovirose und trotzdem das Virus bei sich tragen. Es bedarf keiner
Erläuterung dass diese Jungtauben meistens kränkeln werden.
Dasselbe sehen wir beim Herpesvirus. Weil beide Viren eine Vorliebe haben für
das Nervensystem, ist es sicher nicht auszuschließen, dass das immer mehr
Zurückbleiben der Jungen hiermit stark zu tun hat. Die Erfahrung in der Praxis
lehrt uns, dass Jungtauben die zweimal geimpft worden sind gegen dem Herpesvirus
meistens weniger schnell zurückbleiben werden als Jungtauben die nur die
pflichtmäßige Impfung bekommen haben. Der Eindruck besteht auch stark, dass Tauben die
zweimal geimpft sind gegen das Herpesvirus weniger Luftwegeprobleme haben. Auch
das ist nicht erstaunlich weil der Herpesvirus auch seinen Anteil hat in die
Entwicklung des Ornithose-Komplex. Einen ähnlichen Effekt sehen wir auch nach einer
doppelte Impfung (wie vorgeschrieben vom Hersteller) mit dem Paramyxoimpfstoff.
Wie gesagt bedarf es keiner Erläuterung, dass Tauben, die durch den Circovirus
bedingt Überträger werden von Paramyxo- oder Herpesviren, kränkeln
werden. Sekundär kreuzen oft allerhand Infektionen auf wogegen eine Kur
gemacht werden muss oder nicht. Leider machen wir auf diese Weise nichts gegen
die vorhin erwähnten Vireninfektionen. Diese muss der Körper selber überwinden.
Und das könnte nicht so einfach sein, wenn die Umstände nicht gut sind. Bei
suboptimal Versorgung, Verdunkelung und Stress hat man dann oft das Nachsehen.
Manch ein Züchter versucht, genau wie der Züchter in der Einleitung mit
verschiedensten Antibiotika das Elend noch zu meiden. Aber wenn man einmal in
diesem Boot sitzt, werden, falls man den Übermut besitzt und diese Tauben auf
den ersten Touren spielt, große Verluste fast selbstverständlich sein.
Vor allem der Stress bei den ersten Trainingsflügen erweist sich stets als das
Startsignal für den Ausbruch der Krankheit bei latent infizierten und
hierdurch teils geschwächten Jungtauben. Auch wenn man bei dem ersten Flug schon
einen Teil der Jungtauben verloren hat, gibt es trotzdem immer noch Züchter, die
den Grund immer noch nicht verstanden haben und die Tauben erneut spielen.
Das ist gut zu verstehen, denn die Tauben müssen äußerlich nicht unbedingt
schlecht aussehen, aber es wird sich schnell als schöner Anschein ergeben.
Gibt es dann gar nichts gegen dieses Elend?
Natürlich. Erstens soll man den gesunden Verstand benutzen und die Jungtauben,
die zurückbleiben auf den Trainingsflügen oder sogar zuhause, nicht einsetzen auf
den Wettflügen. Das alleine verhindert schon Enttäuschungen. Die Praxis lehrt
nämlich dass diese Jungtauben wenn sie den Infekt durchstanden haben und erst
bei der nächsten Runde gespielt werden, ganz normal nach Hause kommen als wenn
nichts gewesen wäre.
Viel besser ist es jedoch, die Hartnäckigkeit gesehen, womit diese Probleme seit
2005 vorkommen, viel früher unterstützend vor zugehen. Nicht alles dem Zufall
und Glück überlassen. Und sicher nicht vertrauen auf Antibiotika, die gegen
Virusinfektionen nur sehr wenig ausrichten können.
Was sollte man dann tun?
Erstens ab dem Absetzen die Jungtauben optimal betreuen. Dafür zu sorgen dass
die allgemeine Abwehr sich optimal entwickeln kann. Wir empfehlen deswegen seit
den neunziger Jahren Bony SGR. Zuerst als Kur von 10 Tagen beim Absetzen und
danach 2-3 Mal wöchentlich bis zum Beginn der Jungtaubenflüge. Danach darf es sogar
etwas öfter verabreicht werden.
Hat man Probleme mit den Virusinfektionen, dann verschreibe ich selber meistens
Bony Sambucca Plus, weil die schwarze Holunderbeere und auch Pau d’Arco ihren
Namen hoch zu halten haben als sehr wirksam gegen virale Infektionen.
Optimale Unterstützung der (Jung-)Tauben wird bestimmt dazu beitragen, dass
virale Infektionen von den Jungen besser abgefangen werden können. In der Praxis
sehen wir hierdurch meistens eine schnelle Erholung. Will man den Tauben die
Gelegenheit bieten, um eine erfolgreiche Abwehr zu betreiben gegen diese
"verflixten" Viren, dann wird ganz einfach die Abwehrapparatur in optimaler
Verfassung sein müssen. Die Tauben müssen die richtige "Munition" haben, um sich
angemessen verteidigen zu können.
Jungtaubenmedizin heutzutage muss jedoch noch mehr sein, als das jetzt schon der Fall
ist, einem Ausrichten auf vorbeugende Verfahren. Dazu gehört ein angemessenes
Impfungsprogramm. Die letzten zwei Jahren Praxiserfahrung haben klar gemacht,
dass die Jungtauben gut fahren mit einer doppelten Kombinationsimpfung gegen
Herpes und Paramyxo. Wie gesagt scheinen neben einer Verringerung der Verluste
bei den Jungtauben auch weniger Luftwegeprobleme bei den Tieren vorzukommen.
Und dass heißt wieder, dass weniger Antibiotika verabreicht werden müssen.
Kurz zusammengefasst empfehlen wir, Jungtauben ab dem Absetzen Bony SGR zu geben
während 10 Tagen. Danach 2-3 Mal pro Woche.
Optimal ist die Verabreichung des kompletten Bony Basis-Systems. Dazu empfehlen
wir den Tauben zweimal zu impfen gegen Herpes- und Paramyxo-Viren mit einem
Abstand von 3-5
Wochen zwischen beiden Impfungen.
Sollten dennoch Krankheitserscheinungen auftreten, kann statt Bony SGR, Bony
Sambucca Plus gegeben werden. Sekundäre Infektionen können auf diese Weise
wirkungsvoller bekämpft werden als mit einer gezielten Kur.
Im Allgemeinen jedoch sehen wir weniger Verluste bei den Jungtauben, wenn das
hier beschriebene Verfahren befolgt wird. Die zusätzlichen Kosten werden bei weitem
die geringeren Verluste bei den Jungen aufwiegen. Schließlich züchten
wir im Winter keine Jungtauben um sie massiv beim Spielen zu verlieren infolge
Virusinfektionen.
Viel Erfolg!
Peter Boskamp, prakt. Tierarzt
Julianalaan 7a
6191 AL Beek (Niederlande)
Tel: 0031-46-4371885
Boskamp@pigeonvetcenter.com
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