Herpesviren (Teil 2)
Tierarzt Peter Boskamp über die medizinische Vorsorge (Newsletter
Mai 2012)

Tierarzt
Peter Boskamp |
Der Herpesvirus in der Praxis.
Im letzten Newsletter kamen die wissenschaftliche Erkenntnisse des Herpesvirus
an der Reihe. Aber welche Folgen hat dieser Virus in der täglichen Praxis?
Wie wir gesehen haben sind viele Tauben latent infiziert mit dem Herpesvirus
ohne dass sie davon krank werden oder Symptome zeigen. Wir haben auch gesehen
dass vor allem die jüngere Tauben im Alter zwischen 2 und 10 Wochen beschwerden
von diesem Virus haben können. Sogar so sehr dass sie daran sterben können. Die
Symptome konzentrieren sich oft auf die Luftwege und oft ist die Rede von
Anzeichen von Coryza.
Bevor es so weit kommen kann muss die Abwehr dieser Tauben verringern. Etwa
in die Zeit des Absetzens ist dies der Fall, aber auch bei Überbesatz auf den
Schlägen und während des Transports unter weniger guten Umstände wie hohe
Temperatur und Feuchtigkeit.
Wenn die Krankheit aufkommt ist wenig zu machen am Virus selber. Bei
Virusinfektionen im Allgemeinen ist zu sagen dass Antibiotika nicht wirksam
sind. Trotzdem fragen viele Taubenzüchter bei Virusinfektionen nach Antibiotika.
Solange es die Erkenntnis gibt dass nur sekundäre Infektionen hiermit bekämpft
werden ist nicht so viel los. Bei Virusinfektionen können, durch die
Verringerung der Abwehr, in Folge dieser Virenerkrankung, die Bakterien die
normalerweise keine Chance hatten, die jetzt kriegen. Es kann also sehr wohl
sachverständig sein um diese sekundäre Infektionen zu bekämpfen. Die Tauben
haben es immerhin schon schwer genug mit dem Angriff des Virus selber.
Diese Art von Infektionen werden auch eher vorkommen wenn die Tauben auch
noch infiziert sind mit andere Infektionen wie der Gelbe Knopf, Kokzidiose und
Würmer.
Das Bekämpfen dieser Infektionen ist also auch sehr wichtig genau wie auch
das erhöhen der allgemeinen Abwehr.
Es wurde lange Zeit ziemlich gleichgültig reagiert auf Herpesinfektionen bei
den Tauben. Die Anzahl der Schläge wo ernsthafte Ausbrüche vorkamen war dann
auch klein. In letzten Jahren ist eine Zunahme von klinischen Erscheinungen in
der Praxis zu sehen, wobei auch die Ernst der Erscheinung zu zu nehmen scheint.
Ein guter Grund also für uns allen um doch aufmerksamer zu werden. Es ist
möglich dass die Zunahme der Infektionen mit dem Circovirus hierbei eine Rolle
spielen, weil dieser Virus dafür sorgt dass die Abwehr der Tauben weniger gut
funktioniert. Der Circovirus greift vor allem die Abwehrzellen an. Das
Reaktionsvermögen des Abwehrapparats kann hierdurch verringern.
Die Ernst der Verringerung des Abwehrapparats hängt ab vom Zeitpunkt der
Infektion der (Jung) Taube. Je früher im Leben, desto schlimmer sind die Folgen.
Werden die Tauben geimpft gegen Paramyxo, während sie infiziert sind mit dem
Circovirus, wird der Abwehrapparat nicht oder nicht optimal reagieren können auf
die Impfung. Der Schutz der Impfung gegen dem Feldvirus kann dann beschränkt
sein, wodurch die Tauben doch noch Symptome einer Paramyxoinfektion zeigen
können.
In wiefern das passieren wird hängt auch ab von wie sehr der Circovirus sein
Unwesen treiben konnte in den Abwehrzellen.
Zurück zum Herpesvirus. Es ist nicht schwer vorstellbar dass Tauben die
latent infiziert sind mit dem Herpesvirus (und das sind viele) im Falle einer
Circovirus-Infizierung als erste an die Reihe sind um Beschwerden zu bekommen
vom schlafenden Herpesvirus.
Der Circovirus macht dass das Abwehrorgan der Jungtauben, das sich noch
völlig entwickeln muss, dann auch schlecht reagieren kann auf diesem
Herpesvirus. Ein aktiver Herpesvirus kann, wie wir sehen konnten, bei eine
verringerte Abwehr ordentlich sein Unwesen treiben (oft mit Symptome die uns
sogar vermuten lassen dass Adeno mit im Spiel ist).
Unter günstige Umstände werden möglicherweise noch wenig Symptome zu sehen
sein. Aber während stressvolle Momente versucht der Virus sein Glück. Die
Orientierung der Tauben kann hierdurch erheblich leiden.
Es ist zu einfach um die große Verluste die seit 2005 zunehmend die
Jungtauben treffen, ganz und alleine an dieser Virus zu zu schreiben. Persönlich
jedoch habe ich stark den Eindruck dass es ganz entschieden, eventuell hand in
hand mit dem Paramyxovirus, eine große Rolle spielt.
Diese Problematik war schon seit dem Anfang des Circoviren-Infektionen rund
um das Jahr 2000 vorhanden. Die letzten Jahre jedoch auf viele Stellen in
zunehmenden Maß, wie wir alle sehen und hören konnten.
Gerade die Schwächung des Abwehrorgans macht es den Tauben unmöglich um
angemessen zu reagieren. Sie können jetzt massenhaft den Virus vermehren. Werden
diese Tauben eingekorbt (äußerlich können sie ja noch gut aussehen) dann sind
sie auf dem Transport eine Quelle der Infizierung für den ganzen Konvoi. Eine
Woche später können diese infizierte Jungtauben während den nächsten Flug
beschwerden bekommen von dieser Virus und dem zufolge den Weg nach Hause nicht
mehr finden.
Medikamente gegen diese Infektion bestehen wie gesagt nicht. Nur gegen die
beikommenden Infektionen. Deswegen müssen wir unsere Strategie richten auf
Vorbeugung.
Einerseits ist dass die Unterstützung der Körpereigenen Abwehr wo möglich
(z.B. mit Hilfe von Bony SGR oder Bony Sambuccaplus).
Für Virusinfektionen im Allgemeinen gilt dass wir die Patienten schützen
müssen mittels einer Impfung.
Vor 25 Jahren gab es einen Impfstoff der eingesetzt wurde gegen den
Herpesvirus. Der wirkte nicht genügend. Mittlerweile sind wir 25 Jahre weiter
und die Entwicklungen stehen natürlich nicht still. Vor 25 Jahren fuhr ich auch
Auto. Mein jetziges Fahrzeug kann viel mehr als das damalige. Der Fakt dass ein
Impfstoff vor 25 Jahren nicht wirkte, will nicht sagen dass ein anderer
Impfstoff das jetzt auch nicht macht. Ein kritischer Blick zur neuen
Möglichkeiten ist dann sicher auch erwünscht. Und es ist auch vernünftig.
In 2005 meldete ein ungarischer Kollege, dass er gute Resultate hatte mit
einem neuen Herpesimpfstoff. Ich war skeptisch. Es wird ja allgemein angenommen,
dass es schwierig ist um gute und wirksame Impfstoffe gegen Herpes zu
entwickeln. Für andere Tierarten gelang das auch nicht. Für Katzen gibt es ein
guter Impfstoff, ebenfalls für Rinder. Bei letzteren Tierart hat eine gute
Impfpolitik die Probleme mit dem Herpesvirus stark verringert.
Ich habe die letzten Jahren ein Firma kontaktiert um den Impfstoff in den
Niederlanden verfügbar zu bekommen. Im laufe von 2011 haben wir, als es
verfügbar war, hierdurch etwa 5000 bis 6000 Jungtauben mit dieser
Kombi-Impfstoff impfen können (Herpes-Paramyxo). Zweimal mit 3-5 Wochen
zwischenzeitlich. Ich sage jedes Mal dazu: "Don’t shoot the pianoplayer" (Anmerkung
d. Red.: "Schießt nicht auf mich, ich bin doch nur der Pianospieler..." von Elton John).
Wir mussten ja noch feststellen ob es weniger Verluste gab bei den geimpften
Tauben. Dazu mussten wir auch noch den Faktor "Zufall" ausschließen.
Jetzt, wo die erste Saison vorbei ist kann ich Meldung machen von eine sehr
zufriedene Gruppe Taubenzüchter. Nicht nur bekam ich die Rückmeldung dass
weniger Jungtauben hintergeblieben sind, ich bekam auch Berichte von diverse
Kunden dass es scheint als ob die Jungtauben weniger Luftweginfektionen hatten.
Vorsichtig behaupte ich dann auch, immer noch mit eine gewisse Zurückhaltung,
das dieser neue Impfstoff möglicherweise einen positiven Anteil haben kann an
das beherrschbar machen von das größer werdende Problem der Verluste bei den
Jungtauben.
Nach dieser kommenden Saison müssen wir, mittels die dann verfügbaren
ausführlichere Resultate, der Faktor Zufall in diesem Ganzen weiter ausschließen
können.
Es ist möglich dass durch häufiges Impfen die Herpesproblematik, in Analogie
wie beim Rind, zurück zu drängen ist.
Falls Sie kein Heil sehen in eine vorbeugende Impfung, überlegen Sie sich
dann um wenigstens die Abwehr der Tauben zu unterstützen und zu optimalisieren.
Haben Sie in der Saison mit einen Herpes-Ausbruch zu tun, seien Sie dann so
vernünftig um, während Sie den Jungtauben optimal unterstützen und eventuell
Medikamente geben gegen sekundäre Infektionen, die Krankheit den natürlichen
Verlauf zu lassen, und die Tauben ganz ausheilen lassen. Wir können selber ja
auch keinen Sportwettkampf zu einem guten Ende kommen lassen wenn wir die Grippe
haben. Sie laufen die Gefahr dass die Tauben massenhaft hinter bleiben wenn sie
trotzdem gespielt werden.
Viel Erfolg
Peter Boskamp, prakt. Tierarzt
Julianalaan 7a
6191 AL Beek (Niederlande)
Tel: 0031-46-4371885
Boskamp@pigeonvetcenter.com
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