Jungtierkrankheit bleibt ein Thema
Tierarzt René Becker über die medizinische Vorsorge

Tierarzt René Becker |
Die Jungtaubenkrankheit hat uns in den zurückliegenden Wochen und Monaten erneut fest im Griff gehabt. Obwohl es aufgrund einer fehlenden Hitzeperiode nicht zu den befürchteten massiven Ausbrüchen kam, wurden wir kontinuierlich – bis weit in die Herbstreise hinein – mit entsprechenden Hiobsbotschaften konfrontiert. Massive Ausbrüche mit extrem stark erkrankten Jungtauben und/oder Todesfällen scheint es dagegen kaum gegeben zu haben. Ob es daran liegt, dass die Taubenpopulation mittlerweile besser mit dem Erreger klar kommt oder die Vorsorgemaßnahmen besser greifen, ist schwer zu beurteilen.
Sicher scheint hingegen, dass zu einem nicht unerheblichen Teil das Bemühen der
Züchterschaft einen wiederholten Ausbruch zu verhindern, auf vielen Schlägen
Früchte trägt. Meldungen von großen Zahlen an verloren gegangenen Jungtauben
hielten sich ebenfalls in Grenzen. Leider gab es – vielleicht sogar mehr als in
den vergangenen Jahren – Problemfälle, bei denen die erhoffte und notwendige
Fitness der Jungtiere anschließend nicht mehr erreicht werden konnte bzw. der
Zeitraum bis zu einem erneuten Auftreten von Symptomen der Jungtaubenkrankheit
extrem kurz war.
Dafür gibt es zwei mögliche Ursachen: Zum einen ist die Beteiligung des
auslösenden Circovirus von großer Bedeutung, so dass Geduld während der Zeit der
Genesung der Tauben gefragt ist, für die leider in der Vorbereitung keine Zeit
bleibt. Den Züchtern brennt es unter den Nägeln. Das Verlangen, die
Trainingsflüge zu setzen, ist oft zu groß, so dass die eigentlich gebotene
Vorsicht schnell über Bord geworfen und zu früh wieder mit einem Setzen begonnen
wird.
Auf der anderen Seite besteht dringender Bedarf, den Nachwuchs einzutrainieren,
um ihn auf die späteren Anforderungen vorzubereiten. Ganz abgesehen von
angestrebten Erfolgen auf der Herbstreise. Eine schwierige Situation, in der es
nicht einfach ist, die richtige Entscheidung zu treffen. Neben der
Virusbeteiligung dürfte im Einzelfall eine nicht ausreichende Therapie für die
nicht vollständige Genesung verantwortlich sein.
Obwohl umfassend therapiert wurde, u. U. mit einem Wechsel des Medikamentes, kam
es gerade in dieser Saison immer wieder zu Fällen, in denen dem Bestand an der
erforderlichen Fitness fehlte. Nach unseren Erfahrungen ist die Ursache dafür in
der nicht ausreichenden Eliminierung der beteiligten Erreger zu suchen. Trotz
allgemeiner Besserung der Symptome wurde die endgültige Wende nicht geschafft,
was sich in den Ergebnissen der Jungflüge niederschlägt.
Die o. g. Fälle unterstreichen die ganze Problematik der heutigen Form der
Jungtaubenkrankheit. Die Zeiten, als bei einem Großteil der Fälle die Ausbrüche
in zwei bis drei Tagen leicht zu beherrschen waren, werden seltener.
Hauptursache dafür scheint die kontinuierlich schlechter werdende Resistenzlage
der beteiligten Keime zu sein. Speziell Coli-Keime, die massiv das
Krankheitsbild mitbestimmen, sind immer schwerer zu bekämpfen.
Präparate-Kombinationen, die in der Vergangenheit erfolgreich eingesetzt wurden,
haben in ihrer Wirksamkeit eingebüßt. So sind wir jedes Jahr auf der erneuten
Suche nach wirksamen Kombinationen, um der Erkrankung Herr zu werden.
In der Mehrzahl der Fälle gelingt es, eine Heilung herbeizuführen und eine
entsprechende Verfassung der Tiere zu erzielen, damit diese wieder erfolgreich
an den Wettflügen teilnehmen können. Dennoch sind die Alarmzeichen deutlich: Vor
allem die sich im Umlauf befindlichen illegalen Arzneimittelmixe (aus den
Nachbarländern!) zeigen eine sinkende Wirksamkeit. Aus diesem Grunde gewinnt die
optimale Vorsorge mehr und mehr an Bedeutung.
Leider sind nicht alle Vorsorgemaßnahmen erfolgreich, doch ist vielen Beständen
durch gezielte Maßnahmen zu helfen. Machen Sie sich rechtzeitig Gedanken, was im
folgenden Jahr verbessert werden könnte, um nicht erneut das gleiche Dilemma zu
erleiden. Der beste Weg ist, dies in Zusammenarbeit mit einem spezialisierten
Tierarzt zu tun und eine Marschroute festzulegen.
Die Mauser der Alttauben ist in vollem Gange und die letzten Jungtauben, die
nach der Reise gezüchtet worden sind, können allmählich abgesetzt werden.
Bedenken Sie, wie wichtig die umfassende Versorgung mit den notwendigen
Wirkstoffen für die Ausbildung des neuen Gefieders ist. Die essentiellen
Aminosäuren Biotin, Zink und Lecithin sind die wichtigsten Bestandteile einer
guten Mauserversorgung und sollten in jedem guten Mauserpräparat enthalten sein.
Wir empfehlen vor allen Dingen die regelmäßige Gabe von Lecithin, das am Aufbau
jeder Zellwand des Körpers beteiligt ist. Bei der Taube sorgt es für
seidenweiches Gefieder. Die Gabe eines Jodpräparates sorgt für einen raschen
Gefiederwechsel, durch die Ankurbelung des Stoffwechsels. Wir setzen weiter
flüssiges Oreganum ein, um den guten Gesundheitszustand der Tiere
sicherzustellen. Beachtet man all die Hinweise, die ein guter Mauserplan
enthält, sind die Weichen für ein erfolgreiches nächstes Jahr gestellt.
Beachten Sie bei verdunkelten Jungtauben, diese nach Abschluss der Reise nicht
mehr zu häufig fliegen zu lassen. So stellen Sie eine schnelle Mauser sicher und
verhindern, dass u. U. zu viele Federn stehen bleiben. Sehr empfehlenswert ist
es, nach einer nicht sonderlich erfolgreichen Saison die Tiere noch einmal
untersuchen zu lassen, um Mauserschäden zu verhindern. Der größte Fehler ist es,
das Reisejahr abzuhaken und die Mauser bzw. die Wintersaison sorglos anzugehen,
in der Hoffnung, dass das folgende Jahr besser wird.
Man muss die Saison analysieren, um evtl. Erkrankungen zu erkennen und diese
rechtzeitig zu behandeln. Zu den häufigsten Erkrankungen, die durch die Mauser
verschwindet und bis in den nächsten Sommer nicht mehr auftreten, zählen die
sog. kahlen Hälse. Die abgebrochenen Federn im Halsbereich werden durch neue
ersetzt und das Problem ist schnell vergessen. Die verantwortlichen Parasiten
müssen aber vor dem Gefiederwechsel behandelt werden, damit die neuen Federn
nicht erneut Schaden nehmen. Immer wieder stellen wir fest, dass die
eingesetzten Präparate zwar richtig sind, lediglich die Art und Weise der
Anwendung oft unzureichend ist.
René Becker, prakt. Tierarzt
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