Gesundheit im Darm besonders kontrollieren
Tierarzt René Becker über die medizinische
Vorsorge

Tierarzt René Becker |
Die Versorgung der Jungtauben in der Reisesaison muss nicht nur den
Anforderungen an eine ausreichende Bereitstellung der wichtigsten
Nährstoffe genügen, sondern vor allem speziell auf die Gesunderhaltung
des Nachwuchses abgestimmt sein. Grundvoraussetzung für den Erhalt der
Gesundheit ist zunächst die Versorgung mit den elementaren Wirkstoffen
(Aminosäuren, Spurenelementen, Vitaminen, Energielieferanten) – stets
angepasst an die aktuelle Belastung der Tiere.
Hinzu kommen jedoch weitere Maßnahmen, die darauf abzielen, die
Gesundheit speziell im Darm zu erhalten. Gerade nach einem Wettflug mit
starker körperlicher Beanspruchung und einer hohen Belastung mit
Fremdkeimen im Kabinenexpress muss zu Beginn der Woche Vorsorge
betrieben werden. Es stehen bewährte Nahrungsergänzungen zur Verfügung,
die helfen, auf natürliche Art die Gesundheit im Darm zu gewährleisten,
ohne dass sofort auf ein Medikament zurückgegriffen werden muss.
Wir empfehlen zu Beginn der Woche den Einsatz eines Präparates mit
Kolostrum und Eipulver, wie es z. B. mit dem “Petogen Protector 4” zur
Verfügung steht. Dieses Präparat enthält gleichzeitig die nachgewiesenen
abwehrsteigernden Glucane aus den Enzym-Hefezellen und einen wichtigen
Nährstoff für die physiologischen Darmbakterien.
Dieses Pulver ist anwendbar über das tägliche Futter, wobei dieses
zuvor mit der flüssigen Enzym-Hefe anzufeuchten ist. Darüber wird
gleichzeitig die Vitaminversorgung sichergestellt. Bei der Verabreichung
über das Wasser muss das Produkt zuvor in lauwarmem Wasser aufgelöst
werden.
Parallel empfehlen wir an den ersten zwei Tagen nach der Rückkehr vom
Flug die Gabe eines Oreganum-Präparates, welches die übermäßige
Vermehrung von Schadkeimen im Darm unterdrücken soll. Zur gezielten
Stärkung der Abwehrkraft verabreichen wir das Präparat “Alvimun-T”, das
neben homöopathischen Wirkstoffen zusätzliche verschiedene Phytopharmaka
enthält. “Alvimun-T” geben wir zu Beginn der Woche und am Tag vor dem
Einsetzen.
Trotz dieser umfangreichen Maßnahmen kommt mancher Züchter in vielen
Fällen nicht um den Einsatz von Medikamenten herum. Gerade die Schläge,
die bereits von Ausbrüchen der Jungtierkrankheit betroffen waren, müssen
häufig eine Behandlung wiederholen, um einem erneuten Ausbruch in der
Reisesaison vorzubeugen. Diese Medikamentengabe setzt sich aus dem
Einsatz von “Ronidazol” (in Deutschland als Ridzol 10 %-ig erhältlich)
und der Gabe eines Antibiotikums zusammen, dessen Wirksamkeit gegen
Coli-Bakterien im vorausgegangenen Resistenztest nachgewiesen wurde.
Neben der Gesundheit im Darm spielt die Gesundheit der Atemwege bei
den Jungtauben eine entscheidende Rolle. Gerade in diesem Jahr wurden
kurz vor Beginn der Herbstreise eine Vielzahl von Beständen mit
ausgeprägter Atemwegssymptomatik vorgestellt. Röchelschnupfen, tränende
Augen und graue Nasen waren vorherrschende Symptome. In der Untersuchung
wurden feuerrote Kehlen erkennbar und bei der endoskopischen
Untersuchung des Rachens und der Nase konnten starke Schleimansammlungen
bzw. Beläge diagnostiziert werden. Führt man weitere Laboruntersuchungen
durch, stößt man nicht selten auf Chlamydien, den Erregern der Ornithose.
Wenn auch nicht in jedem chlamydienpositiven Fall eine manifeste
Ornithose vorliegt, gibt es dennoch eine Vielzahl von teilweise
versteckten Erkrankungen oder Verläufen mit nicht so stark ausgeprägter
Symptomatik, die jedoch die Leistungsfähigkeit und das Heimkehrvermögen
stark beeinträchtigen können.
Neben der Jungtaubenkrankheit und der oft damit verbunden mangelnden
Fitness im Darm ist diese Erkrankung zu einem großen Teil mit
verantwortlich für die bedrohlichen Verluste, die erneut viele Züchter
erleben mussten. Gerade von Ende Juli bis zum Beginn der RV-Vorflüge
gibt es regelmäßig seit Jahren entsprechende Meldungen.
Betrachtet man sich die Ergebnisse im Detail, ist häufig
feststellbar, dass es einige Schläge gibt, die kaum Verluste aufzuweisen
haben, andere wiederum jedes Jahr die gleiche Misere erleben. Hier
spielt der Faktor Gesundheit die alles entscheidende Rolle. Die
Bekämpfung der Chlamydien, die in jedem Fall erforderlich ist, birgt
jedoch vielfältige Risiken. Zum einen sind nur spezielle
Präparategruppen geeignet, Chlamydien zu bekämpfen; zudem sind lange
Behandlungszeiträume notwendig, die man in der Saison nur durch eine
wiederholte Gabe einigermaßen wettmachen kann.
Die größte Gefahr betrifft jedoch den Darm und den möglichen Ausbruch
der Jungtierkrankheit. Werden durch das Präparat zur Bekämpfung der
Ornithose die Coli-Keime im Darm nicht abgetötet, kann es zum Ausbruch
der Jungtaubenkrankheit kommen. Daher ist es wichtig, im Vorfeld der
Chlamydienbekämpfung über Kloakenabstriche und Anzüchtung der Bakterien
die Resistenzlage zu bestimmen.
Jede Medikamentengabe erfolgt grundsätzlich unter der Zugabe von “Alvimun-T”.
Neben der abwehrsteigernden Wirkung mindert es die
Arzneimittelnebenwirkungen und forciert die Ausscheidung des
Medikamentes. Bei starken Verschleimungen und Belägen in der Nase setzen
wir parallel zu dem Antibiotikum ein Bronchosekretolytikum
(Schleimlöser) ein. Dieser Schleimlöser kann während der Saison am Tag
vor dem Einsetzen gegeben werden.
Sicherer Indikator für die vorhandene Fitness Ihrer Jungtauben ist
das Flugverhalten. Sind die o. a. Probleme auf Ihrem Schlag nicht
vorhanden und ist auch sonst die Gesundheit im Bestand gewährleistet,
sollten Ihre Tauben mit Tempo und Ausdauer fliegen. Vergessen Sie nicht,
kurz vor Beginn und während der Preisflüge den Kokzidienbefall
kontrollieren zu lassen. Das warme Wetter führt zu extrem kurzen
Vermehrungszyklen, so dass aus geringgradigen schnell starke Befälle
werden können. Diese sind in der Regel schnell und problemlos mit der
Gabe einer “Appertex”-Tablette zu behandeln.
Im Anschluss an jede Medikamentengabe muss eine verstärkte
Vitaminversorgung erfolgen und ein Jodpräparat verabreicht werden. Es
beugt der übermäßigen Hefepilzvermehrung im Darm vor, kurbelt den
Stoffwechsel an und stellt (u. a. bei der Verwendung von “Blitzform”)
die Eisenversorgung sicher, was zur Blutbildung unerlässlich ist.
René Becker, prakt. Tierarzt
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